Seit etwa einem Dreivierteljahr bin ich Mitglied einer neuen Band „Coffee, Cake & Bass“. Mein Mitsänger Michael fragte mich im Frühjahr, ob ich nicht Lust auf einen Pop- und Jazz-Gesangsworkshop in der Toskana hätte. Alleine wäre ich vielleicht nicht auf die Idee gekommen, aber mein Urlaub war noch nicht geplant und auf Mallorca hatte ich festgestellt, dass Urlaub alleine nicht immer so erquickend ist und Abende recht lang werden können. Also haderte ich nicht lange und sagte ihm zu. Die Planung überließ ich ihm, da er schon einige Male dort war. Direkt am ersten Ferientag ging es los. Kurz nach 5 Uhr rollte Michaels roter Audi in die Einfahrt und ich packte neben meinem Koffer auch mein Rad in seinen Kofferraum. Er war etwas angespannt, da seine AdBlue-Anzeige, bzw. die seines Wagens leuchtete. Am Tag zuvor hatte er wohl den Tank etwas überfüllt. Für den Fall der Fälle hatte er jedoch einen Werkstatttermin in Bamberg ausgemacht. Wir rollten also los und ich übernahm das Steuer nach den ersten etwa 100 km. Vorher erlosch jedoch in Anzeige, sodass wir entspannt an Erfurt vorbei Richtung Süden fahren konnten. In Bamberg machten wir jedoch trotzdem Halt um einen Kaffee zu trinken und machten einen kurzen Bummel durch die Innenstadt.

Neptunbrunnen „Gabelmoo“

Das Bamberger Rathaus

Von Bamberg ging es weiter an München vorbei, was reibungslos und staufrei klappte. Vor der österreichischen Grenze wollten tanken, da es hieß, es gäbe in Österreich Diesel-Mangel. Daher fuhren wir zwischen München und Rosenheim von der Autobahn ab, nachdem wir uns eine Vignette besorgt hatten. Eine Tankstelle abseits der Autobahn war jedoch in Deutschland nicht mehr zu finden, sodass wir mit halbleere Tank über die Grenze fuhren. Nach ziemlich viel Überland-Kurbelei fanden wir irgendwo bei Kufstein eine Tankstelle und füllten den Tank bevor aus auf der Autobahn Richtung Innsbruck weiter ging. Nun übernahm Michael wieder das Steuer und brachte uns über den Brenner, der auch erfreulich leer war. Nach ziemlich genau 1000 km kamen wir am späten Nachmittag am südlichen Zipfel des Gardasees an und fanden nach einiger Sucherei auch unser Hotel, in der Nähe des Gardalandes. Zwar war es ziemlich warm (38°C) und mir hing der Magen in den Kniekehlen, aber trotzdem machten wir uns zu Fuß auf, Richtung See. Ein Marsch, der Aufgrund leichter Orientierungsschwierigkeiten etwa sieben Kilometer lang war. In der Altstadt von Peschiera der Garda suchten wir uns eine Pizzeria und genossen unser erstes italienisches Essen. Nach dem Essen machten wir auf dem Heimweg (der zum Glück etwas kürzer war) noch einige Fotos. Nach knapp zwölf Kilometern in Flipflops (und teilweise barfuß) brannten meine Füße gewaltig.





Nach einer unruhigen Nacht setzte ich mich vor dem Frühstück eine kleine Runde aufs Rad. Nüchtern war ich bisher noch nie gefahren und werde es wohl so bald auch nicht wieder tun. Müdigkeit, Temperatur, lange Fahrt und knurrender Magen forderten ihren Tribut und meine etwa 40 km lange Radfahrt dauerte deutlich länger als geplant. Ich machte einige Fotos und wollte eigentlich an die Spitze der Landzunge bei Sirmione. Leider war an der Scaligeroburg meine Reise zu Ende, da dort Fahrräder (auch geschobene) untersagt sind. Über holprige Straßen führte mich der Weg zurück zum Hotel, wo mich nach einer Dusche Michael und ein etwas spartanisches Frühstück erwarteten.




Sirmione
Nach dem Essen sattelten wir die Pferde und fuhren weiter zu unserem nächsten Etappenziel – Florenz.
Unser florentiner „Classic Hotel“ war nahe der Innenstadt und in einem altehrwürdigen Gemäuer nahe der Boboli Gärten. Entsprechend kühl war zum Glück das Zimmer. Die Temperatur genossen wir jedoch nur kurz, bevor wir uns gegen 14 Uhr in der Mittagshitze vorbei am Palazzo Pitti Richtung Innenstadt aufmachten. Nach knapp 15 Minuten schritten in bereits über die Ponte Vecchio ins Herz der Stadt und ich bestaunte von außen die Uffizien, den Palazzo Vecchio, den Dom, diverse Kirche und Plätze und überhaupt das Flair der Stadt, die Julius Cäser gegründet, und von den Medici so geprägt wurde. Wir drehten Runde um Runde und gönnten uns ein Eis vor der Santa Maria Novella, bevor wir weitere Denkmäler, Deckenfresken und Gebäude bestaunten und an Designerläden vorbei schlenderten. In Skulpturform begegneten wir ständig Michelangelos David-Kopie, aber auch Leonardo da Vinci und Dante standen in Stein gehauen in der Gegend herum. Die Opulenz zeigt die ehemalige Bedeutung der spätmittelalterlichen Handelsstadt und den Einfluss ihrer reichen Gönner, die Künstlern und Wissenschaftlern ein Zuhause in Florenz boten.

Palazzo Pitti

Die Uffizien



Der Duomo (Sanata Maria del Fiore), dekoriert mit rotem Marmor aus Siena, weißem aus Carrara und grünem aus Prato. Das erste Bauwerk dieser Dimension der Ranaissance.



Blick in den Palazzo Vecchio

Basilika San Lorenzo

Deckenfresko in San Marco


Eis geht immer





Kreuzgang der Basilica della Santissima Annunziata
Wir gönnten uns auch wieder etwas zu Essen. Und zwar nicht irgendwo, sondern direkt am Arno, mit Blick auf die Ponte Vecchio. Abends wollten wir uns von der Piazzale Michelangiolo aus den Sonnenuntergang anschauen, irrten uns aber bezüglich des Hügels und bestiegen zunächst den Hügel des Fortes di Belvedere. Zum Glück waren wir sehr früh dran, weshalb wir den steilen Abstieg und den Aufstieg auf den benachbarten Hügel noch mehr als rechtzeitig schafften. Dort fanden sich, je näher der Sonnenuntergang rückte, immer mehr Schaulustige ein, um für sich, oder die sozialen Medien den Sonnenuntergang auf Bilder zu bannen.

Ponte Vecchio


Auf der Piazzale Michelangiolo




Als die Sonne unter Applaus die Bühne verlassen hatte gingen wir entlang des Arnos und begleitet von Millionen von Mücken zurück. Nach etwa 17 km Pflastertreten fielen wir relativ erschöpft in die Betten. Am nächsten Morgen gab es ein etwas reichhaltigeres Frühstück (dieses Mal Buffet) und wir gingen erneut in die Stadt, um der Markthalle einen Besuch abzustatten. Wir probierte uns durch Mortadella, Trüffel und Balsamico und Michael kaufte sich ein Fläschchen von letzterem. Gegen 11.30 Uhr traten wir die Weiterreise Richtung Bestimmungsort an. Der Workshop sollte zwischen Volterra und Colle di Val d´Elsa (ganz grob in der Nähe von Siena) stattfinden. Die Zimmer waren noch nicht fertig, weshalb wir zunächst die Qualität des Pools überprüften – mit positivem Fazit – und nach und nach die ersten Teilnehmer kennenlernten.

Am Nachmittag konnten wir die Zimmer beziehen. Unser Apartment war riesig. Ein großer Wohnraum mit Kochzeile, zwei Schlafzimmer und Bäder. Der einzig große Nachteil war, dass es direkt unterm Dach lag und die kleinen bodennahen Fenster nachts kaum für Abkühlung sorgten, weshalb ich keine Nach mehr als fünf oder sechs Stunden mit Unterbrechungen geschlafen habe.
Los ging es mit einem gemeinsamen Abendessen, in Form eines italienischen Buffets. Es zog sich bis in die späten Abendstunden, weshalb wir anschließend nur noch ins Bett fielen.
Zwar war ich mit Abstand das Küken der Gruppe, sie setzte sich aber aus sehr netten und interessanten Personen zusammen. So waren an den folgenden Tagen gute Gespräche garantiert. Das Coaching übernahm die Gesangspädagogin Anke Held, die ihren Job super machte und jeden an seiner Leistungsstufe abholte. Unterstützt wurde sie dabei von dem Jazzgitarristen Holger Schliestedt, der für eine abwechslungsreiche, stilsichere und auf die Sänger angepasste Begleitung sorgte. Die Teilnehmer kamen aus allen Ecken Deutschlands und der Schweiz und jede und jeder brachte auf seine Art Input mit in die Gruppe, sei es auf musikalische oder tänzerische Art oder durch Humor oder Theatererfahrung. Auch kamen wir in den Genuss kurzer Yoga– und NIA-Einheiten.

Da die kommenden Tage ziemlich durchgetaktet waren, fuhr ich nur wenig Rad. Am Sonntag und Dienstag fuhr ich vor dem Frühstück (aber immerhin nach einer Banane) 40 km (mit über 500 hm). Das war nicht wahnsinnig viel, aber viel mehr war einfach nicht drin. Zum Ausgleich schwamm ich viel und jeden Tag mussten wir zum Proberaum einige Höhenmeter überwinden, da er ein gutes Stück entfernt war.
Dieselben Höhenmeter begegneten mir natürlich auch beim Radfahren. Um auf die Straße zu gelangen muss hier zunächst eine knapp 1000 m lange und recht steile Schotterpiste bezwungen werden. Gut, dass ich mich für die Gravelbereifung entschieden habe. Auch ansonsten bot die Gegend wenig Erholung. Zwar waren die Straßen in einem recht guten Zustand, aber das Profil war äußerst wellig und die Autofahrer kannten keinen Abstand beim Überholen. Die anderen Radfahrer waren aber immerhin sehr nett und so hatte ich auf der zweiten Tour die Möglichkeit mich immerhin für rund fünf Kilometer an einen anderen Fahrer zu hängen. Denn insgesamt war meine Geschwindigkeit hier jenseits von Gut und Böse. Schlafmangel, Wärme, Uhrzeit (Startzeit war immer um 6 Uhr) und Profil zollten ihren Tribut. Aber ich genoß die Bewegung und vor allem natürlich Landschaft und malerische Orte, wie Colle di Val d´Elsa. Die Altstadt liegt hoch über der Unterstadt und ist wohl auch durch einen Aufzug zu erreichen.

Unsere Unterkunft – Antico Borgo Tignano




Colle di Val d’Elsa

Eine etwas längere Distanz fuhr ich an unserem freien Tag, dem Mittwoch. Nach dem Frühstück machte ich mich bei bereits über 30°C auf den Weg Richtung Volterra. Der Ort liegt lediglich 18 km von hier entfernt; bis dorthin müssen jedoch etwa 500 hm bezwungen werden. Anfangs machte ich mich für meine Verhältnisse ganz gut, da immer wieder auch Bergab-Passagen dabei waren, auf den letzten Metern musste ich jedoch gleich zweimal verschnaufen. Trotz fleißigen Trinkens (die erste Flasche war bereits leer), hatte ich aufgrund der staubigen Luft, des Ozons und der Trockenheit das Gefühl, mein Rachen gleiche einer Wüste. In Volterra sah ich mich ganz kurz um und beschloss, dass ich es mir auf dem Rückweg genauer anschauen wollte. Nun kam das Highlight der Tour. Von Volterra ging es in meist großzügigen Serpentinen über fast zehn Kilometer nur bergab. Zum Glück waren wenig Insekten unterwegs, sodass sie mir nicht alle zwischen den Zähnen hingen. Ein breites Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Auch die weiteren Kilometer durch das Val de Cecina waren trotz des Gegenwindes gut fahrbar und meistens hatte ich einen breiten Seitenstreifen, auf dem ich den Autofahrern etwas aus dem Weg gehen konnte. In Cecina angelangt suchte ich zunächst die Eisdiele, an der ich mich mit Michael verabredet hatte. Anschließend rollte ich noch etwas an der Strandpromenade entlang, da ich 45 Minuten zu früh war.




Blick zurück nach Volterra

Cecina






Nach einem leckeren Eis gingen wir an südlichen Strand, der von Pinienwäldern gesäumt ist. Unter den Pinien suchten wir uns ein schattiges Plätzchen und ich schwamm noch einen Kilometer im Mittelmeer. Nachdem ich zwei Quallen begegnet war, etwas strandnäher als geplant… Unter den Pinien ruhten wir noch eine Weile und lauschten dem Krach der Zikaden und Hubschrauber, die ständig am Küstenstreifen kreisten, um Waldbrände früh zu erkennen.

Zurück ging es nicht mit dem Rad, sondern bequem mit dem Auto. Das sparte mir nicht nur einen mörderischen Anstieg, sondern gab mir zudem die Möglichkeit, mir noch einmal mit etwas mehr Muße – und Kamera – Volterra anzusehen.





Aufgrund der andauernden Hitze und der mit 7 1/2 h recht langen Workshopzeit pro Tag blieb das Rad die nächsten Tag stehen. Stattdessen schwamm ich jeden Tag etwas oder versuchte in den Mittagspausen etwas zu dösen, da der fehlende Schlaf doch etwas an die Substanz ging.
Am Freitag endete der Workshop mit einem Konzert aller Teilnehmer. Da ich mich selbst auf dem Klavier begleitete, war ich ungewöhnlich nervös, brachte meinen Auftritt aber gut über die Bühne und freute mich auch sehr über die Fortschritte der anderen Teilnehmer, die einem im Laufe dieser Woche zum Teil schnell ans Herz gewachsen waren.



Nach einer kleinen Terrassen-Session mit Klavier, Gitarren und Gesang verschwanden alle Teilnehmer um Mitternacht ins Bett. Das war auch ganz gut so, da wir entgegen der ursprünglichen Planung die Rückfahrt in einer Etappe fuhren und die rund 1300 km in einem durch fuhren. So lange am Stück habe ich glaube ich noch nicht gesungen… Die Disconacht auf Bayern 1 hat uns auf jeden Fall gut durch die Nacht gebracht.
Während meiner Zeit in Antico Borgo Tignano erreichte mich auch die Nachricht, dass mein Blog bei der fahrrad.de Blogwahl 2022 auf dem 4. Platz gelandet ist. Da bin ich ganz baff und begeistert. Vor allem, da es eine Auswertung gab und ich nun weiß, an welchen Ecken es noch hapert und was ich schon ganz gut mache. Ich freue mich über die Platzierung sehr und gratuliere auch allen anderen Teilnehmern!