Auf ein Eis nach Erfurt – oder: War doof – merkste selbst…

Heute ging es auf eine lockere 230 km lange Runde nach Osten, genauer gesagt nach Erfurt. Die Strecke war super easy und ich hatte die ganze Zeit über ein Lächeln im Gesicht….

So könnte ein Blog klingen, wenn ich eine top Ausdauer-Sportlerin wäre und mir jeder Kilometer in den Schoß fallen würde. Dem ich aber leider nicht so. Ich bin auf der Tour ordentlich an meine Grenzen gekommen, habe gekämpft, gelitten und geheult und war ziemlich unzufrieden mit mir. Macht mich das jetzt zu einer schlechten Radfahrerin? Das weiß ich nicht, zum Glück ist mir das auch egal (mit meinen „I can besser kiss than I ride“-Socken sowieso). Alles ging damit los, das ich nach der Tour zu meiner Schwester dachte, dass mich nun nichts und niemand aufhalten kann. Und so plante ich eine Tour nach Erfurt. Dort war ich zuletzt als Kind und es liegt im 100 km Radius. Also ein gutes Ziel. Über komoot plante ich die Route als Rundfahrt über Mühlhausen und Sondershausen, lud großspurig auch bei facebook zu der Tour ein und kündigte einen 26er Schnitt an. Zum Glück hatte sich nur Kai eingefunden, mitzufahren. Als mein Ex kennt er mich und meine Macken ganz gut. Ralf hatte überlegt, ab Erfurt mitzufahren. Im Nachhinein bin ich froh, dass er nicht dabei war, da meine Laune vermutlich nur schwer zu ertragen war.

Zwar war ich die ganze Woche schon irgendwie groggy, aber das hinderte mich nicht daran, morgens um 6 Uhr mit Kai zu starten. Zwar merkte ich, dass meine Beinmuskulatur immer noch nicht wieder ganz im Lot war, aber sie fühlten sich etwas besser an, als die anderen Tage der Woche. Schon bis Worbis warteten jede Menge Höhenmeter auf uns, die nur vom Anstieg hinter Niederorschel getoppt wurden. Bis dahin war aber alles gut und wir waren zwar nicht schnell unterwegs, aber ich war optimistisch, das Ganze zu schaffen. Den ersten längeren Zwischenstopp machten wir – wie geplant – in Mühlhausen. Die Altstadt mit eindrucksvoller Stadtmauer, Toren, Türmen und Kirchen hat einen ganz besonderen Charme und gerne wäre ich mit der Kamera noch länger durch die Altstadt gestreift. Aber nach einem Cookie und Kaffee ging es weiter.

Über den Unstrutradweg fuhren wir an Bad Langensalza vorbei. Dieser fährt sich prima, ist innerhalb der Orte jedoch kein Garant für schnelles Tempo, da er phasenweise recht verwinkelte und eng ist.

Irgendwann landeten wir – dank komoot mit hohem Bundesstraßenanteil – in Erfurt. Ermüdungstechnisch wäre ich hier nicht böse gewesen, wenn die Tour bereits vorbei wäre, da mir die Höhenmeter schon ganz schön zu schaffen gemacht hatten. Mit Blick auf den Dom gönnten wir uns ein Eis und rollten durch die Innenstadt zur Krämerbrücke. Neben dieser kann die Rialto-Brücke in Venedig einpacken, denn hier kuscheln sich 32 Fachwerkhäuser über dem Wasser, die größtenteils noch heute Kunsthandwerker beherbergen. Eine tolle Atmosphäre.

Richtung Norden verließen wir die Stadt und fuhren Richtung Straußfurt und Greußen. Dort stoppten wir beim Supermarkt, um unsere Getränke aufzufüllen. Das war bitter nötig, denn plötzlich bemerkte ich, wie sehr ich beim Trinken gespart hatte. Weiterhin ging es bergauf und bergab und jedes Mal riss ich wieder bei den Anstiegen von Kai ab und meine Oberschenkel waren dicht. Auch begannen mein Rücken zu zwicken und meine Fußaußenkanten zu brennen. Die Hände taten auch weh und ich wollte nur noch nach Hause. Aber zwischen diesem und mir lagen in Sonderhausen noch immer noch knapp 60 km und noch viele, viele Höhenmeter. Eine Pause reihte sich an die andere und die geschätzte Ankunftszeit rutschte immer weiter nach hinten. Irgendwo zwischen Kleinfurra und Nohra hatte ich meinen ersten kleinen Heulkrampf. Ich konnte nicht mehr, war verzweifelt, sauer auf mich selbst und hatte keine Ahnung, wie ich den Rest noch schaffen sollte. Relativ schnell hatte ich mich wieder gefangen, was aber nichts an meiner körperlichen Verfassung änderte. Ich klebte nur noch in Kais Windschatten und riss immer wieder an den Anstiegen ab und versuchte mich, so gut es ging zusammenzureißen. Auf Höhe von Bad Sachsa liefen wieder die Tränen und ich überlegte, meine Eltern anzurufen, dass sie mich abholen. Kai motivierte mich weiterzufahren und irgendwie haben wir es geschafft, nach 12 Stunden und knapp 9 Stunden Fahrzeit wieder bei mir anzukommen.

Von Touren mit über 200 km nehme ich jetzt definitiv erst mal wieder Abstand. Ich habe heute gelernt, dass man, nur weil man 200 km flach fahren kann, noch lange nicht 230 km mit knapp 1800 hm fahren kann. Erst recht nicht, wenn man durch diverse Städte und Orte fährt, in denen man ständig halten und bremsen muss. Trotzdem hat sich die Tour gelohnt, da mir vor allem Mühlhausen sehr gut gefallen hat. Trotzdem bleibt eine gewissen Unzufriedenheit und Fassungslosigkeit, dass ich mich dermaßen überschätzen konnte. Ich dachte wirklich, ich könne so eine Tour alleine schaffen. Jetzt wurde ich schmerzhaft eines Besseren belehrt. Aber auch solche Geschichten gehören dazu. Zumindest sind ein paar ganz schöne Fotos entstanden. 🙂 Jetzt ist erst einmal Regeneration angesagt.

7 Kommentare zu „Auf ein Eis nach Erfurt – oder: War doof – merkste selbst…

  1. Daumen hoch sag ich da.
    Bischen drüber schmunzeln musste ich aber auch 😁
    Nordhausen und Nohra ist meine Heimat.
    Auf den ersten Blick denkt man immer hier ist es recht flach, dennoch summieren sich je nach Strecke die Hm.
    Solch lange Strecken mit diesen Hm fährt man am besten recht entspannt und führt genug flüssige und feste Energie zu.
    Gruß und weiter so.

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    1. Hallo Steffen, ich glaube es ist fast egal, wie viel ich auf solchen Strecken esse und trinke. Ich komme bei über 200km immer an meine Grenzen. Für solche Langdistanzen bin ich genauso wenig gemacht wie für Berge… 😅

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      1. Das kann man trainieren. Sicherlich ist jeder etwas anders veranlagt, kann ja auch nicht jeder gut singen.
        Wenn man meist kürzere Strecken fährt die sich so zwischen 40 und 80km belaufen sind dann 150 oder 200 schon sehr viel. Am solche Distanzen muss man sich ranarbeiten. Genau wie mit den Bergen. Such dir ne Strecke die ruhig ist und mäßige Prozente hat und fahr so oft du kannst. Irgendwann definierst du deinen Wohlfühlbereich mit Trittfrequenz und Atmung. Alles andere ist egal. Und gelegentlich mal ne Strecke suchen mit richtig Steigung, kurz zum richtig verausgaben und länger zum Rythmus finden.
        Mein Tipp ist aber das alles nicht zu Ernst zu sehen. In erster Linie soll dein Hobby deiner Zufriedenheit dienen und keine Leistungsfalle werden 😀
        Gruß Steffen.

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      2. Hallo Steffen, natürlich hast du recht. Das kann man alles trainieren Ich bin einfach von der Gesamtkonstitution eher ein Kraft- als Ausdauermensch. Daher ist das für mich mir viel Training verbunden und fällt mir nicht leicht. Trotzdem versuche ich natürlich, mich da zu verbessern, aber mal eben 300km oder mehr fahren – das ist nicht meine Welt. Ich quäle mich auch immer wieder in den Harz und merke, dass ich besser werde, aber sowohl für Berge als auch für Langstrecke fahre ich immer zu sehr am Limit. Ich muss erst mal daran arbeiten mit weniger Druck zu fahren.
        Aber letztlich ist es nur eins von mehreren meiner Hobbies, weshalb ich gar nicht die Zeit habe, das zu verbissen zu sehen. 😊
        Viele Grüße
        Isa

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