Durch das Land der 1000 roten Ampeln – Ruhrgebiets-Tour

(Beitrag enthält Werbung ohne finanzielles Interesse)

Am Pfingstwochenende stand Familienbesuch auf der Agenda. Meine Cousine und ihr Mann sind kürzlich Eltern geworden und meine Oma wollte auch einmal wieder besucht werden. Machen wir uns nichts vor, vom Harz ins Ruhrgebiet – das schaffe ich noch nicht mit dem Rad, aber die Entfernung von 37 km zwischen Kamen und Bochum reizte mich doch, sodass ich neben meiner Reisetasche auch mein Fahrrad in den Kofferraum legte. Nun stellte sich noch die Frage, wie komme ich gefahrlos von A nach B? Zuerst befragte ich Google Maps zu einer geeigneten Radstrecke. Dieses spuckte mir Wege über verschiedene Bundesstraßen aus. Das war das Letzte, was ich wollte, da diese im städtischen Bereich doch eher Autobahncharakter haben. Also schaute ich einmal bei komoot. komoot ist eine App für Sportler aller Art und kann weltweit eingesetzt werden. Toll ist auch, dass die Untergrundbeschaffenheit angegeben wird. Allerdings können Routen kostenfrei nur online angezeigt werden. Gerade bei längeren Touren leidet der Handyakku dann sehr. Zudem habe ich keine Halterung für mein Handy. Allerdings habe ich eine Garmin fenix 5s. Die hat zwar selbst kein Kartenmaterial, aber kann gespeicherte Routen mithilfe eines Richtungspfeils wiedergeben. Auch dies ist allerdings kostenpflichtig. Eine Einzelregion kostet 3,99 €, ist aber häufig beim ersten Mal kostenfrei. Diese hätte aber nicht meine ganze Route abgedeckt. Ein Regionenpaket kostet 8,99 €. Das deckt deutlich mehr ab, wäre mir für eine Tour aber zu teuer gewesen. Daher habe ich zum Komplett-Paket gegriffen, dass einem weltweit Karten (auch zur offline-Nutzung) zur Verfügung stellt und lebenslang kostenlose Karten-Updates bietet. Allerdings ist komoot ein ziemlicher Datensauger, ähnlich wie Strava. Dessen sollte man sich bewusst sein. Ansonsten bin ich aber sehr zufrieden mit der App und die Navigation hat wunderbar geklappt. Nach jedem Abzweig bekommt man die Bestätigung ob man noch auf dem richtigen Weg oder falsch abgebogen ist.

Um 5.10 Uhr klingelte der Wecker, um 6 Uhr saß ich im Auto und fuhr nach Kamen. Das Wetter versprach gut zu werden und bei meiner Ankunft gegen 8.30 Uhr waren die laut Wetterbericht angekündigten 17°C erreicht. Also konnte ich, nachdem ich meine Oma begrüßt und mich umgezogen hatte, ärmellos, aber mit Weste losrollen. Über Südkamen führte ging es über die Landstraße nach Afferde.

Über Wickede, Asseln und Brackel näherte ich mich größtenteils über Radwege Dortmund. In Asseln stieß ich auf die hübsche Lutherkirche, die deutlich älter wirkt, als sie ist. Der Grundstein für den neugotischen Bau wurde tatsächlich erst 1904 gelegt.

Im Ortsteil Wambel ist eine der größten Galopprennbahnen Deutschlands. Der Radweg führt hinter dieser vorbei und ist durch eine Betonwand getrennt. Diese Betonwand ist zum Sprayen freigegeben und dies führt dazu, dass sich die Graffiti-Künstler hier in aller Ruhe austoben können und tolle Kunstwerke entstehen. Auf dem Rückweg wollte ich noch einige davon fotografieren, aber leider hatte ich da die Zeit im Nacken.

Ab Wambel wurde es wirklich anstrengend. Erstens hatte ich tatsächlich das Höhenprofil des Ruhrgebiets etwas unterschätzt. Mit dem Harz ist es nicht vergleichbar, aber wenn man mit einer flachen Route gerechnet hat, merkt man jeden Hügel, was in Bochum seinen Höhepunkt finden sollte, im wahrsten Sinne des Wortes. Nein, viel schlimmer waren die Ampeln. Leider habe ich verpasst mitzuzählen, wie oft ich an diesen hämisch rotleuchtenden Geräten stand, aber um die 30 Mal sollte es gewesen sein. Vermutlich sogar häufiger. Das ständige langsamer werden und hoffe, dass sie doch noch umspringt, anhalten, warten und wieder anfahren ist kräftezehrend. Selbst in den verkehrsberuhigten Zonen kann man nur begrenzt entspannt fahren. Wenn ein Fahrer eines tiefer gelegten Golf sein Auto am liebsten über die Schwellen heben möchte und auch zwischen den Bodenwellen nicht ansatzweise Platz macht, dass man an ihm vorbeifahren könnte ist das zum Brechen. Von den Autos die kreuz und quer auf Fahrradwegen und – streifen parken muss ich gar nicht erst reden.

An der Westfalenhalle und dem Signal Iduna Park fuhr ich unter anderem über Schönau, Stockum und Witten nach Bochum. Meine Cousine lebt mit ihrer Familie im Ortsteil Querenburg, wo auch die Uni und Hochschule zu finden sind. Wikipedia bezeichnet die Gegend rund um Bochum als „Flachhügeligen Landrücken“, der geprägt ist durch „gleichmäßigen Steigungen und Gefälle“. Das habe ich gemerkt, wobei, der letzte Anstieg mit 10,9%iger Steigung echt gemein war, vor allem wenn man um die Kurve kommt und in einem viel zu schweren Gang in den Berg geht.

Angekommen in Bochum (11.02 Uhr) war für den Knirps gerade Fütterungszeit angesagt, sodass ich Zeit hatte, mich etwas frisch zu machen und umzuziehen. Angekündigt hatte ich mich für 11 Uhr, gehofft hatte ich auf 10.45 Uhr. Tatsächlich hatte ich aufgrund der Ampeln volle zwei Stunden gebraucht. Dann durfte ich den kleinen neuen Erdenbürger kennen lernen, der jetzt knapp einen Monat alt ist. Selten habe ich ein so entspanntes Kind kennengelernt. Nicht nur, weil er nach dem Stillen fast sofort einschlief, sondern auch ansonsten wirkte er durchweg zufrieden. Hoffentlich bleibt das noch ein bisschen so. Da die letzten Wochen für die frisch gebackenen Eltern noch sehr turbulent waren, hatte ich für den Besuch nur zwei Stunden einkalkuliert um ihnen nicht allzu lange zur Last zu fallen. Das war wirklich schade, da ich gerne noch geblieben wäre. Allerdings hatte ich mich zum Kaffee bei der Oma angemeldet. Das nächste Mal bleibe ich aber auf jeden Fall länger. Nach einem leckeren Mittagessen (selbstgemachte Pizza und Salat – aber nur ganz wenig, dass ich noch radeln kann), setzte ich mich wieder auf den Drahtesel und fuhr zurück.

Auf dem Heimweg nahmen die Böen ganz schön zu und die Temperatur machte mir etwas zu schaffen. Mittlerweile lag die die Temperatur bei etwa 27°C. Da ich schon recht spät dran war, verkniff ich mir weitere Fotopausen, die ich mir auf dem Hinweg vorgenommen hatte. Erst in Wambel zückte ich noch einmal die Kamera, da dort ein Graffitikünstler gerade bei der Arbeit war. Der freute sich über mein Interesse und stand bereitwillig Modell. Auch erzählt er ein wenig über das legale und illegale Sprayen. Das war sehr spannend. Ein netter Kerl.

Fast pünktlich um 15.40 Uhr kam ich bei meiner Oma zum Kaffeetrinken an. Der Erdbeerkuchen kam jetzt gerade recht. Auch wenn ich die Höhenmeter im Ruhrgebiet unterschätzt habe 474 waren es auf der Tour) , war es trotz allem eine interessante Erfahrung in der Stadt zu fahren. Wenn auch viel langsamer als hier, mit 23 km/h, war es mindestens genau anstrengend, da man nicht in einen gleichmäßigen Tritt kam. Ich lerne, daraus, dass man in Städten definitiv mehr Zeit einplanen muss.

Graveltour #6 – 90 km-Ausflug zur Insel Poel

Unsere zweite Urlaubsradtour sollte zunächst von Kühlungsborn nach Wismar und zurück gehen. Nach dem Wälzen des Kartenmaterials wurde allerdings klar, dass wir dann mit weit über 90 km rechnen müssten. Da wurde mir doch etwas mulmig bei der Sache, da meine längste Strecke bei 55 km lag. Unbeaufsichtigt die Räder länger (auch abgeschlossen) stehen zu lassen um eine größere Pause in einem Café zu machen war keine Option und draußen sitzen bei 7°C sowieso nicht. Daher schlug ich alternativ eine Tour zur etwas näher gelegenen Insel Poel vor. Über den Daumen gingen wir von etwas 80 km aus. Wir packten reichlich trinken, einige Brote, Riegel und Kartenmaterial ein (zum Glück!) und machten uns gegen 9 Uhr auf den Weg.


Windmühle Stove von 1889

Durch den Stadtwald ging es nach Kühlungsborn-West und über Radwege vorbei am Riedensee. Auf dem Hinweg wählten wir Wege eher im Landesinneren um Kilometer zu sparen. Jedoch hatte das zur Folge, dass wir einige Hügel zu bewältigen hatten und uns einmal bei Blengow verfahren haben. Das wäre auf dem offiziellen Ostseeküstenradweg sicherlich nicht passiert. Um auf der sicheren Seite zu sein wechselten wir daher ab dort auf den Fernradweg. Vorbei ging es am Salzhaff, mit der Insel Wustrow im Hintergrund.

Wustrow ist eine Halbinsel hinter dem Ort Rerik und wurde 1933 zur Kasernenanlage. Bis 1993 blieb die Insel militärisch genutzt. Zwischen 1945 und 1993 war die Kaserne Standort der Sowjetischen Truppen. Wegen Munitionsrückständen ist die Insel bis heute gesperrt. Was für den Menschen vielleicht bedauerlich ist, kommt der Natur zugute.
Das Naturschutzgebiet „Wustrow“ besteht aus dem westlichen Teil der Halbinsel und ist mit den angrenzenden Wasserflächen 1940 ha groß. Inklusive dem anschließenden Salzhaff beherbergt das EU-Vogelschutzgebiet „Küstenlandschaft Wismar-Bucht“ viele halophile (salzliebende) Pflanzen und bis zu 90 Brutvogelarten.

Salzhaff mit der Insel Wustrow im Hintergrund

Über Boiensdorf und Blowatz fahren wir über vorbildlich ausgeschilderte Radwege nach Groß-Strömkendorf. Leider erobert die Natur auch die Radwege zurück. An einigen Stellen drücken unzählige Wurzeln den Asphalt hoch und sorgen für unangenehme schmerzhafte Buckel, die, wenn man sie unterschätzt ganz schön an den Armen reißen. So ganz ohne Federung schmerzen mir davon noch Tage später die Ellbogen.

In Groß-Strömkendorf führt ein Damm auf die Insel. Da der Himmel grau und der Wind eiskalt ist, beschränken wir uns auf die nötigsten Bilder. Ursprünglich war geplant, die Insel einmal zu umrunden, beim Blick auf die Uhr stelle ich aber fest, dass wir bereits bei über 45 km sind. Daher kürzen wir ab und fahren lediglich bis zum Kirchdorf.

Hier finden sich Überreste einer großen Festung aus dem 17. Jahrhundert. Zu ihr gehörte ein Schloss sowie eine Dorfkirche mit Außenanlage. Im dreißigjährigen Krieg wurde die Anlage stark beschädigt und verfiel zum großen Teil. Die Gebäude wurden im 19. Jahrhundert und 1934 durch Grabungen belegt. Es sind einige Erdwälle und Gräben erhalten. Der 47 m hohe Kirchturm stellte über Jahrhunderte hinweg eine Landmarke für die in die Wismarer Bucht einfahrenden Schiffe dar. Im Dorfmuseum ist die Anlage als Miniatur nachgebaut.

Dorfkirche

Nach einer kleinen Ess- und Fotopause machten wir uns auch schon wieder auf den Rückweg. Auf selbigen blieben wir ausschließlich auf dem Ostseeküstenradweg. Nach etwa 65 km verließen mich die Kräfte. Tatsächlich war ich ja bisher keine so lange Strecke – und erst recht nicht ohne größere Pause – gefahren, sodass ich ganz schön mit meiner Erschöpfung zu kämpfen hatte.

Dolmen – Großsteingrab aus der Jungsteinzeit

Leider ließ auch meine Laune zu wünschen übrig, da ich Kai zuliebe sehr gerne einen 100er gefahren wäre. Dafür ist es für mich aber definitiv zu früh. Mit brennenden Oberschenkeln, totaler körperlicher Erschöpfung und ein paar Frusttränen krochen wir in einem ganz fürchterlichen Rentnertempo zurück nach Kühlungsborn, wo es zur Belohnung ein Stück Kuchen gab.

Endlich zurück in Kühlungsborn

Hier zeigten unsere Uhren 88 km an. Jetzt mussten wir bis zu Hause natürlich die 90 noch voll machen, was ich auch irgendwie geschafft habe.

Mit dieser Tour ist mir mal wieder gezeigt worden, dass ich immer noch viel zu ehrgeizig bin. Ich muss viel entspannter werden und lernen mich nicht immer mit denen vergleichen zu wollen, die schon jahrelang fahren. Rein rational weiß ich das ja auch, aber ich kann häufig nicht über meinen Schatten springen… Daher auch ein dickes Dankeschön an Kai, dass du mich, auch wenn ich völlig frustriert und am Ende bin, erträgst. Ich versuche also mich darüber zu freuen, dass ich 90 km erfolgreich gemeistert habe. Und den ersten Hunderter schaffe ich auch irgendwann. Es muss ja nicht gleich innerhalb der ersten 10 Touren sein.